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Was Gesetze und Wurst gemeinsam haben...

Ein schneller Blick auf die aktuelle Gesetzgebung, ein Ausblick auf das, was sich nach der Bundestagswahl arbeitsrechtlich ändern könnte und ausgesuchte Entscheidungen der deutschen Arbeitsgerichte: Die Veranstaltung „Aktuelle Tendenzen und Änderungen im Arbeitsrecht“, gemeinsam ausgerichtet mit dem Arbeitgeberverband Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen e.V. (AGAD), war reich an Themen.

Rund 80 Teilnehmer verfolgten die Ausführungen der beiden Referenten Dr. Oliver Klug, Hauptgeschäftsführer des AGAD, und Martin Beckschulze, Verbandsjurist der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen. Dr. Klug sprach zu Beginn über das Bundesteilhabegesetz und wies eindringlich darauf hin, dass die Schwerbehindertenvertretung bei einer Kündigung unverzüglich unterrichtet, angehört und mit einbezogen werden muss. Dr. Klug drückte sein Unverständnis für viele weitere Gesetze aus und kam mit Bismarck zu dem Schluss: „Bei zwei Dingen sollten die Menschen nicht wissen, wie sie gemacht werden: Bei Gesetzen und bei Wurst.“

Im weiteren Verlauf ging er auf die Änderungen beim Mutterschutzrecht und dem Entgelttransparenzgesetz ein. Werdende Mütter sind zukünftig nicht mehr von einem generellen berufsspezifischen Beschäftigungsverbot betroffen, „der Arbeitgeber muss jedoch eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und notfalls einen anderen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen“, so Dr. Klug. Dies gilt auch für Praktikantinnen, Auszubildende oder Fremdgeschäftsführerinnen. Wie absurd das Entgelttransparenzgesetz ist, machte er an der Berechnung des statistischen Medians, wie es das neue Gesetz vorschreibt, fest. Demnach muss nämlich der Median des monatlichen Entgelts einer Gruppe von mindestens fünf Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die eine gleiche oder vergleichbare Tätigkeit ausüben, errechnet und veröffentlicht werden. Bei Verdiensten der fünf Beschäftigten von 2000 €, 2000 €, 3000 €, 4000€ und 10.000 € liegt der Median bei 3500 €. „Der Sinn des Medians erschließt sich mir nicht“, sieht für den Gesetzgeber aber anscheinend gut aus“, so Dr. Oliver Klug. Den Median müssen Unternehmen mitteilen, die mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigen.  Bei tarifgebundenen Unternehmen reicht allerdings der Hinweis auf die einschlägigen tariflichen Regelungen und deren Einsehbarkeit aus.

Genügen die Einwilligungen den neuen Standards?

Martin Beckschulze stellte in Grundzügen die neue europäische Datenschutzgrundverordnung und das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vor, die ab dem 25. Mai 2018 gelten. Demnach werden zum Beispiel auch Leiharbeitnehmer, anders als nach dem Betriebsverfassungsgesetz, als Beschäftigte im Verhältnis zum Entleiher gesehen. Weitere Klarstellung im BDSG: Der Beschäftigtendatenschutz kann auch in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Tipp von Martin Beckschulze: Unternehmen sollten überprüfen, ob ihre Einwilligungen den neuen Standards genügen. Das meist diskutierte Gesetz war in der Vergangenheit das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das zum 1. April 2017 in Kraft getreten ist. Ziel der neuen Vorschriften: Den Missbrauch von Werkverträgen einzudämmen. Es ist nun ausdrücklich erforderlich, die Arbeitnehmerüberlassung auch als solche zu bezeichnen. „Unternehmen müssen ihrer Offenlegungspflicht nachkommen. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten zu Werkverträgen ist eine Vorratserlaubnis nun nicht mehr möglich. Im schlimmsten Fall drohen Ihnen Bußgelder und es wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. „Dann machen Sie sich der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen strafbar“, erklärte Martin Beckschulze. Generell wichtig: Es kommt immer auf die tatsächliche Durchführung der Arbeiten an, nicht wie der „vermeintliche Werkvertrag“ gestaltet ist. Begrenzt worden ist die maximale Überlassungsdauer im Entleihbetrieb. Diese beträgt grundsätzlich 18 Monate und ist arbeitnehmerbezogen. Ein und derselbe Arbeitnehmer darf erst nach einer mehr als dreimonatigen Unterbrechung erneut „ausgeliehen werden“.

Was in Zukunft gesetzgeberisch auf Unternehmen zukommen kann, hängt auch von der kommenden Bundestagswahl ab. Dr. Oliver Klug warf daher einen Blick in die Wahlprogramme der einzelnen Parteien und stellte fest: „Im Grunde sind fast alle Parteien dafür, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen. Das geht von ersatzloser Streichung (SPD, GRÜNE, LINKE und AfD) bis hin zu einem vagen „der Missbrauch von Befristungen muss abgestellt werden“ (CDU). Einzig die FDP will das Befristungsrecht in seiner jetzigen Form belassen.. Einig sind sich SPD und LINKE bei dem Verbandsklagerecht, wonach Gewerkschaften stellvertretend für mehrere Arbeitnehmer eine Klage gegen den Arbeitgeber anstrengen. „Ansonsten soll sehr vieles, was wir schon beim letzten Wahlkampf gesehen haben, aufgewärmt werden“, so Dr. Oliver Klug. Vieles drehe sich dabei um die Rückabwicklung der Agenda 2010.

Praxis bei Lohnpfändung überprüfen

Nach einer kurzen Pause führte Martin Beckschulze fort und beleuchtete einzelne, jüngere Gerichtsentscheidungen zu unterschiedlichen Themen. Etwa zur Pfändbarkeit von Erschwerniszulagen. „Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit nicht pfändbar sind, soweit sie steuerfrei sind. Daher sollten Sie nun in Ihrem Betrieb die Praxis bei der Lohnpfändung überprüfen. Im Zweifel können Sie sonst vom Arbeitnehmer verklagt werden, wenn unpfändbare steuerfreie FSN-Zuschläge an den Gläubiger abgeführt werden“, so Beckschulze. Dr. Oliver Klug ging im weiteren Verlauf auf ein BAG-Urteil zur Darlegungs- und Beweislast bei Überstunden ein. Im vorliegenden Fall hatte ein LKW-Fahrer Überstunden der vergangenen drei Jahre geltend gemacht und Gehaltsnachzahlungen von 4101,92 € geltend gemacht. Die Überstunden hatte er anhand seiner Fahrerkarte errechnet. Hatten die Vorinstanzen die Klage noch abgewiesen, kam das BAG zu einem anderen Schluss. „Das oberste deutsche Arbeitsgericht wird in diesen Fällen immer arbeitnehmerfreundlicher“, schloss Dr. Klug.

Ein weiteres Urteil des BAG befasste sich mit der Wirksamkeit einer Befristung. Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten sich auf eine Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses geeinigt. Der Arbeitgeber überreichte dem Arbeitnehmer eine nicht unterzeichnete Befristungsabrede, woraufhin der Beschäftigte am Tag nach Auslaufen der ersten Befristung erneut zur Arbeit erschien und diese verrichtete. „Mit Arbeitsaufnahme wurde ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet, denn eine nicht unterzeichnete Befristungsabrede genügt nicht“, so Martin Beckschulze. „Regeln Sie diese Angelegenheit immer schriftlich vor dem Ende der ersten Befristung und sorgen Sie dafür, dass beide Parteien die Befristung vor der Wiederaufnahme der Arbeit unterschreiben“, so sein Tipp.

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